Wie Schlaf, Depressionen und Darm zusammenhängen

Der Darm hilft uns nicht nur bei der Verdauung von Nahrung. Die Bakterien, die in unserem Darm zu Hause sind, werden mittlerweile mit (fast) allem in Verbindung gebracht, von unserem Gewicht und dem Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln bis hin zu unserer psychischen Gesundheit und unserem Schlaf. Denn dein Darmmikrobiom (aka deine Darmflora) kommuniziert mit dem Gehirn. 

Das Darmmikrobiom ist die Gemeinschaft von Mikroorganismen, einschließlich Darmbakterien, die in deinem Darm leben. Die Darmflora wird auch als das "vergessene Organ" des Körpers bezeichnet, da sie eine wichtige Rolle über die Verdauung und den Stoffwechsel hinaus spielt.

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Vielleicht hast schon über die Bedeutung deiner Darmgesundheit für ein gesundes Gehirn gelesen. Immer mehr Studien beobachten eine Verbindung zwischen der Darmflora und Stress, Angststörungen und Depression. Deine Darmbakterien könnten sogar beeinflussen, wie gut du schläfst.

Schlaf ist u.a. notwendig für die Erholung von körperlichen und psychischen Belastungen sowie für die Gedächtnisfunktion. In einer kürzlich durchgeführten Meta-Analyse wurde Schlaflosigkeit als wichtiger Prädiktor für das Auftreten von Depressionen, Angstzuständen, Alkoholmissbrauch und Psychosen identifiziert. Das verdeutlicht die entscheidende Bedeutung des Schlafs für das psychische Wohlbefinden.

Wie der Darm unseren Schlaf beeinflusst

Deine mentale Gesundheit ist eng mit der Qualität und dem Timing deines Schlafes verbunden. Es gibt Hinweise darauf, dass die Darmflora die Schlafqualität und die Schlaf-Wach-Zyklen (unseren zirkadianen Rhythmus) beeinflussen kann.

Alle Organismen auf der Erde haben eine innere Uhr entwickelt, die ungefähr 24 Stunden umfasst und wichtige Körperfunktionen wie Herzschlag, Hormonausschüttung (z.B. Schlafhormone, Stresshormone) und insbesondere Stimmungszustände reguliert.

Es ist nicht überraschend, dass diese innere Uhr eine entscheidende Rolle bei psychiatrischen Störungen spielt, da Stimmung und zirkadiane Rhythmen eng miteinander verbunden sind. Untersuchungen zeigen, dass gestörte zirkadiane Rhythmen, provoziert durch Jetlag, Schichtarbeit oder reduzierten Schlaf, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen auslösen können.

Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass das Darmmikrobiom nicht nur die Verdauung und den Stoffwechsel, sondern auch den Schlaf und den mentalen Zustand beeinflusst. Dies geschieht über die Darm-Hirn-Achse, in enger Wechselwirkung mit physiologischem Stress, Emotionen und Zirkadianrhythmen. Schlafmuster werden durch Veränderungen der Darmdurchlässigkeit (intestinalen Permeabilität), Aktivierung des Immunsystems, Entzündungen, Energiegewinnung und der Vielfalt der Darmbakterien (bakteriellen Diversität) beeinflusst. Bei Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom (Englisch: Chronic Fatigue Syndrome) wurde ein verändertes Mikrobiom beobachtet. Das deutet darauf hin, dass ein unausgeglichener Darm Schlafprobleme begünstigen könnte.

Eine Studie aus 2019 legt nahe, dass ein möglichst vielfältiges Darmmikrobiom einen gesünderen Schlaf fördert.

Wie spricht der Darm mit dem Gehirn?

Der Darm ist dicht besiedelt von Mikroorganismen wie Darmbakterien, Viren und Pilzen. Größtenteils leben die Darmbakterien und der Darm in Harmonie. Wenn wir gesund sind, werden die Bakterien sicher im Inneren des Darms gehalten. Wie also können die Bakterien nach Draußen kommunizieren?

Der Darm hat eine direkte Beziehung mit dem zentralen Nervensystem (ZNS), die als "Darm-Hirn-Achse" bezeichnet wird. Dies ermöglicht es dem Darm, Signale zum Gehirn zu senden und vom Gehirn zu empfangen. Darmbakterien spielen bei dieser Kommunikation eine Schlüsselrolle.

In einer Studie reduziert die Gabe des Bakterienstamms Lactobacillus (ein Bakterium, was auch in Joghurt vorkommt) das Angstlevel von Mäusen. Das funktioniert allerdings nicht, wenn man den Vagusnerv - die Hauptverbindung zwischen Gehirn und Darm - durchtrennt. Denn Bakterien kommunizieren über den Vagusnerv mit dem Gehirn. Wenn Darmbakterien Ballaststoffe verdauen, entstehen Stoffwechselprodukte, welche z.B. die Serotonin-, Cortisol- und Tryptophan-Spiegel beeinflussen. Diese können wiederum den Vagusnerv aktivieren. 

Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, wie Darmbakterien das Gehirn beeinflussen können, z. B. durch bakterielle Stoffwechselprodukte und Giftstoffe, durch die Aufnahme von Nährstoffen, die Veränderung von Geschmacksrezeptoren und die Anregung des Immunsystems. So können D-Milchsäure und Ammoniak, die von der Darmflora produziert werden, über den Vagusnerv in das Zentrale Nervensystem gelangen und dadurch die Gehirnfunktion, Stressreaktionen und den Schlaf beeinflussen.

Die Darmflora kann deine psychische Gesundheit beeinflussen

Einige Studien untersuchten Menschen mit schweren Depressionen und fanden heraus, dass sich die Darmbakterien in ihrem Stuhl von denen gesunder Freiwilliger unterschieden. Aber es ist noch nicht klar, warum es einen Unterschied gibt.

In Studien an Mäusen werden Veränderungen der Darmflora mit ängstlichem und depressivem Verhalten in Verbindung gebracht. Besonders spannend ist, dass diese Verhaltensweisen von einer Maus auf eine andere Maus mittels Stuhltransplantation "übertragen" werden können. Eine Stuhltransplantation nennt man das, wenn man den Mäusekot einer Maus in den Darm einer andere Maus einführt.

In einer weiteren Studie nahm man so eine “Stuhltransplantation” bei Ratten vor. Ihnen wurde der Stuhl von Menschen mit schweren Depressionen zugeführt. Daraufhin zeigten die Ratten Verhaltensänderungen, die mit Depressionen zusammenhängen. 

Auch beim Reizdarmsyndrom ist die Darmflora verändert und ebenso treten häufiger Stimmungsschwankungen auf. Über 50% der Reizdarm-Betroffenen berichten von Depressionen, Angstzuständen oder Schlafproblemen. Zudem verschlimmert sich das Reizdarmsyndrom bei Stress.

In Tierstudien wurde festgestellt, dass die Zusammensetzung der Darmflora verändert ist, wenn neugeborene Ratten von ihren Müttern isoliert wurden. Akuter und chronischer Stress erhöhte zudem die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut der Ratten. Mäuse zeigten unter chronischen Stressbedingungen ängstliches Verhalten und Veränderungen in der Menge und Zusammensetzung ihrer Darmbakterien.

Es gibt also eine Verbindung zwischen dem Darm und Schlaf und Depression. Auf der einen Seite haben chronische Störungen des Zirkadianrhythmus, Schlafverlust und Depression Auswirkungen auf die Darmbakterien und lösen Veränderungen in deren Zusammensetzung aus. Auf der anderen Seite können Darmbakterien die Darmdurchlässigkeit modulieren. Eine erhöhte Darmdurchlässigkeit (auch “Leaky Gut” genannt) kann dazu führen, dass Bakterien und ihre schädlichen Stoffwechselprodukte in das Lymphgewebe gelangen, entzündliche Immunreaktionen stimulieren und den Vagusnerv erregen. Dadurch könnten Schlaflosigkeit und Depressionen verursacht oder verschlimmert werden. 

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Häufige Symptome eines Reizdarmsyndroms bei Frauen

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